Verflogen
Fast ganz still ist es. Oben, weit weit oben schwebt er. Seine gelb-grau entlarvenden Augen haben alles im Blick und die Spitzen seiner breiten Schwingen vibrieren im Wind. Hoch fliegt er, der Adler, atmet in die Weite, der blau-weiße Himmel über ihm. Er liebt diese Freiheit, da oben, allein und still – nur ab und zu dieses leide Wispern seiner Flügel. Plötzlich und unvermittelt presst er die Schwingen ganz dicht an den Körper, jagt ein ganzes Stück weit wie ein Pfeil hinab in die Tiefe, fängt sich gekonnt auf und gleitet majestätisch vorbei an felsigen Steilhängen. Er ist ein Künstler. Zu fliegen versteht er, auch seine Beute ins Auge zu fassen, starr und beharrlich. Der Himmel ist seine Lust, die Weite seine Augenweide, das Fliegen seine Bestimmung. 
Abermals schnellt er hinab, ergibt sich dem Rausch des Falls, breitet bald wieder seine Schwingen aus und kreist langsam zu Tal. Der Blick  ist schonungslos konzentriert, die kleinste Bewegung am Boden entgeht ihm nicht und nicht nur der gekrümmte Schnabel wirkt furchteinflößend. Er ist von stolzer, erhabener Gestalt, wie er so dahingleitet. Dicht an der Felswand entlang, so nah, dass er sie fast berührt  –––.
 
Nicht nur fast! – Plötzlich verfängt sich seine Schwinge verfängt in den Resten eines herunterhängenden grobmaschigen alten Netzes. Der Flug endet jäh. Verzweifelter Flügelschlag, gefangene Angst und unter ihm das nun doch bedrohlich-gähnende Maul der Tiefe. Wieder versucht er sich zu befreien, doch vergeblich. 
 
Sein Leben – hier – zu Ende? Sollte er nun in der sonst so geliebten Einsamkeit der Höhen kläglich verenden? Oder er, was dem gleichkäme, mitsamt dem Netz, wenn es sich unvermittelt löste, in den Abgrund stürzen? Die Hoffnung schwindet zusehends, je weniger er glaubt noch einmal in Freiheit sein zu können. Er kann sich nicht vorstellen wieder unbeschwert seinen Körper schwebend mit dem Wind zu teilen. Keine Rettung, kein Schutz, kein Ausweg mehr. Gefangen im Netz schierer Verzweiflung. Wieder auf Befreiung hoffende Flügelschlage, doch erfolglos. Eine ganze Weile später gibt er im Schatten der hereinbrechenden kalt-blauen Nacht entkräftet auf.
Die Dunkelheit verfließt mit der Angst seiner Seele. Einzig ein paar Sterne funkeln – ersehnte Lichter blinkern unbarmherzig weit entfernt. Der Adler ringt mit Gedanken an den Tod als Erlösung seines jetzigen Leidens, doch im Laufe der folgenden Stunden vollzieht sich eine innere Wandlung: Langsam akzeptiert er sein scheinbar unausweichliches Ende und sagt sich, dass der Tod ihm früher oder später ohnehin beschieden sein würde.  Also wird er still, bewegungslos, atmet tief in alle Fasern seines Körpers und ergibt sich so der Nacht. 
In den Morgenstunden erhebt sich Nebel aus dem Tal hinauf in zu den Höhen eines sonnig werdenden Tages. Kalt war die Nacht, bizarr und feindselig. Der Adler öffnet die Augen, immer noch den vorauseilenden Tod im Visier, gefangen in diesem grau-zerklüfteten Netz direkt am Steilhang, – mutlos aber gefasst. – 
 
Plötzlich ein kleines reißendes Geräusch. Erschreckt sackt der Adler einige Zentimeter nach unten. Das Loch, in dem er feststeckt, war größer geworden. – Dann, einen Augenblick später, reißt das Netz unvermittelt weiter ein und gibt kurzzeitig die Schwinge des Adlers – was dieser nahezu für unmöglich gehalten hatte – wieder frei. 
Taumelnd fällt er ins Nichts. Doch jäh löst er sich aus der tödlichen Erstarrung, breitet seine großen, grau-braunen Flügel aus und kann der Tiefe des Abgrunds entschwinden. Ganz langsam erhebt er sich gegen den Wind ansteuernd in die Luft, beginnt zu kreisen und entledigt sich dabei nur mühsam der vergangenen, kräftezehrend-angstvollen Stunden. 
Aber er gewinnt an Höhe, das Blut pulst bald in seinen Adern bis in die Spitze jeder Schwinge, weit ausgespannt spürt er sich wieder mit seiner Lust, seiner Hoffnung und Freude. 
„Frei --- ich bin frei!“  –  jubelt seine Seele. 
Dem Tod entronnen tanzen jetzt seine Schwingen, jauchzt sein Körper auf im wärmenden Wind –– der Sonne entgegen.
 
 
 
   Über Päpste und Eisbären
Ein komischer Vogel war der Papst schon; da rief er auf der einen Seite die Eisbärenkrise aus darauf hinweisend, dass der Lebensraum dieser Tiere durch fortschreitende Gletscherschmelze immer mehr ingeschränkt würde, auf der anderen Seite konnte er auf Eiswürfel in seinem allmorgendlichen Vitamintrunk nicht verzichten. – Nun fragt man sich allen ernstes, was hatte das eine mit dem anderen zu tun? In jedem Fall ging es wohl um Eisvarianten: Eiseskälte – ob am Nordpol oder im Kühlschrank, in Gletscher- oder Würfelform, als Lebensraum oder raumgreifend im Glas, ob Tier oder Konsumgut. Und genau da lag der Hase begraben, gleich­falls  in Gottes Namen. Amen. ––
Was für einen Eindruck der Papst angesichts von Eiswürfeln in seinen heiligen Hallen hinterließ war ihm schnuppe. Im Gegenzug gab es Menschen, die der lebensfeindlichen Konsumgier so gut wie entsagten. Und wenn der Papst überhaupt einmal aus seinem Papamobil ausstieg, so waren sie komplett ausgestiegen aus einem Leben voller Supermarkt-Ersatzgeflüster, permanenter konsum­trächtiger Beweihräucherung und ausgewandert unter lächelndem Eiswürfelverzicht. Der Wohlstand forderte seinen Preis, spuckte Prämien für sämtliche Produkte in Geldbörsen einer größtenteils süchtigen Gesellschaft. Nur wenige konnten widerstehen, selbst den Rotstift ansetzen und Preise für eine gesunderhaltende Lebensweise auf ihre Liste schreiben. Übergewicht war an der Tagesordnung. Im wesentlichen hatte man es sich bequem eingerichtet; es war doch o.k. abends auf Abruf noch eine Pizza be­stellen zu können – wer machte sich über soetwas großartig Gedanken. Das Hinterfragen der eigenen Trächtig- und Behäbigkeit wurde bei der nächsten Pizza einfach verg-essen. Auf diese Weise hatte das Morphin der Möglichkeiten, ja des Individualgenusses beinahe jeden fest im Griff angefangen beim Lieblingsparfum bis hin zur kollektiven Verdrängung. Letztlich ging es um eis-erne Verführer, wobei wir wieder bei Gletschern angelangt wären im Sinne völlig ausgebuffter, eiskalter Geschäfte. 
Eines jedoch hatte der Eisbär mit dem Papst gemeinsam: sein weißes Gewand. Das Fell des Papstes schien allerdings dicker: in optischer Täuschung machte ihm so schnell keiner was vor – naheliegend für den Stellvertreter Gottes auf Erden. Was niemand ahnte, gleich morgen früh schon würde es in seinen heiligen Hallen wieder Gletschertrank geben – original-verpackt in Eiswürfelform. Ein komischer Vogel eben – der Papst.
 
    
Dem Unsinn sei Dank
Dem Unsinn sei Dank, er macht zuweilen so viel Freude, dass man beim Lachen Mühe hat Luft zu holen. Nunfolgend wird ein Stab, gestatten – eine Lanze gebrochen für einen Begriff, der eigentlich genau das Gegenteil von dem ist, was er beinhaltet. Lachen ist die beste Medizin, so heißt es im Fachjagon nicht nur von Lachtherapeuten, Lachgruppen und Lachsäcken, letztere kann man sogar erwerben und mit nach Hause nehmen. Sollte man selbst Hand anlegen wollen empfiehlt als Alternative zu wenig lebendigem Spaßutensil ein toter Datenträger. Man öffne auf dem Computer ein Programm mit Aufzeichnungsfunktion und spreche in das Mikrofon ein „Ha ha!“, laut und deutlich. Der nächste Schritt lautet „Ha ha – ha!“, des weiteren „Ha – ha ha!“ Man beachte die Umkehrung der Pausen und eine gewisse Flexibilität in der Tonlage. –– Permanent staccato-ähnliche Wiederholungen ergeben tatsächlich eine imposante Lachnummer ganz ohne Notenschlüssel. Exorbitant. Wenn sie sich und andere begeistern wollen, gibt es in der Tat keine bessere Lösung. Üben sie weiter an Orten, die sie zuvor für absolut unspektakulär hielten, an Bushaltestellen, in Kirchen, Bahnhofs-WC’s, Second-Hand-Läden, im Wald, auf Messen und nachts unter der Bettdecke.
Sie wollen schließlich dem heutzutage hochtechnisierten, roboterähnlichen Mediendschungel ihren ureigenen Tribut zollen, dem Un-sinn Sinn abgewinnen, den Menschen ihr freudebereitendes Lachen. Am besten sie melden sich schon jetzt für eine demnächst in ihrer Umgebung stattfindende Esoterik-Messe an. Sie benötigen dafür einen Klapptisch, den toten exorbitanten Datenträger und ein großes Maß an Unverfrorenheit, um dort mit einer Karaoke-Lachnummer aufzuwarten. Es lohnt sich als Lach-Choreograf in derartigem, eher befremdlichen Ambiente seinen eigenen Stil in frei improvisierten Auftritten zu entfalten. Ein überzeugtes Publikum wird sich zu späterer Zeit finden. Zunächst geht es nur um ihre eigene gute Verfassung um Sturmböen der Empörung mit Mut, Tapferkeit und einem heilsamen Lachen zu begegnen: Ein weiterer Schritt wäre sich an sämtlichen, in ihrer Nähe befindlichen Volkshochschulen mit einer Lachnummer zu bewerben. Dies tun übrigens zu ihrer Beruhigung sogar Referenten, die sich fern ihres Genres ganz selbstverständlich auf derartigem Parkett zu bewegen wissen mit dem Unterschied, dass ihr hirnloses Wortgebrösel merkwürdigerweise nicht einmal als Unsinn erkannt und dementsprechend auch nicht darüber gelacht wird. Hingegen befinden sie sich bereits jetzt im richtigen Fahrwasser, unzweideutig, klar, strukturiert, reduziert mit ihren einfachen „ha-ha’s“ auf toten Datenträgern, denen sie begleitend ganz nach Belieben und absolut authentisch noch weitere „ha-ha-ha’s“ hinzusetzen können, Gestik und Mimik nicht zu vergessen. Auch dahingehend ist alles ausbaufähig: Sie dürfen sich ausgelassen durch ihr Publikum manövrieren, auf den Tischen tanzen, lachen, was das Zeug hält oder auch nur diesen exorbitanten toten Datenträger einsetzen, während sich, je nach Gebietslage, eine Schlange puren Entsetzens in die Bühne zu verbeißen droht –– was sie natürlich in letzter Instanz zu verhindern wissen. Hier heißt es Standfestigkeit zu bewahren, denn sie sind sich des absoluten Unsinns in Gestalt dieser allesverzehrenden Schlange voll bewusst. Kein Grund zur Aufregung, sie selbst spielen mit offenen Karten und ehrlich wärt schließlich sowieso am längsten.
Es ist eine wahre Kunst mit Publikumsschlangen zu jonglieren, nicht nur an Kassen. Selbstverständlich sind sie bereit Zusatz- und Sondervorstellungen zu geben, was mit einer Lach-Nummer niemals ein Problem darstellt. Seien sie sich bewußt, dass sie damit nicht nur hochrangigen Politikern gleichgestellt sind, sondern darüber hinaus einen weitaus besseren Verdienst erzielen. Spätestens jetzt sind sie sicher, dass der Begriff Unsinn durchaus genau das Gegenteil von dem ist, was er beinhaltet. Seien sie überzeugt: bald finden sich ihre exorbitanten toten Datenträger in unüberschaubarem Maße in Regalen vom Buchhändler bis hin zum Supermarkt. Sie stehen mit Buddha und Dalai Lama auf einer Höhe, unter ihnen weilen Christian Anders, dessen Zug im Nirvana verrostete und Hitsternchen, die mit ungeheurem Aufwand und dicker Maskerade meinten schlimmeres verhindern zu können. Ein extrem bestattungsgefährdeter Artikel: das 1982 in ungelogen 30 Ländern veröffentlichte „da-da-da“. Sie allerdings, von allem Zeitgeist befreit, treten mit einem wohlgeordnet-durchdachten „ha- haaaaa-ha!“ eine, man stelle sich vor, sensationelle grenz- und generationenübergreifende Reise an.